Abtwil Zum Abschluss der Oberfreiämter Räbeliechtliumzüge verwandelte der leuchtende Tatzelwurm die Abtwiler Strassen in ein Lichtermeer. Am Donnerstag vergangener Woche zelebrierten Gross und Klein die lieb gewonnene Tradition.

EVELYNE HEEB

«Heute ist ein schöner Tag», sagt der achtjährige Dean und strahlt mit seiner Räbe um die Wette. Gemeinsam mit rund einhundert Gspändli aus Primarschule, Kindergarten und Spielgruppe wartet er um kurz vor sechs Uhr auf dem Pausenplatz geduldig auf den Start des Umzugs. Klassenweise reihen sich die Kinder ein, posieren für Erinnerungsfotos und debattieren über die Motive auf ihren Kunstwerken. Fabian hat einen Düsenjet geschnitzt. Livio präsentiert seinen Delfin. Eigentlich hätte ein Hai die Räbe zieren sollen. «Aber der war zu gross und hatte keinen Platz.» Dann verstummt das erwartungsvolle Gemurmel und der leuchtende Tatzelwurm setzt sich in Bewegung. An der Spitze die Spielgruppe mit ihren selbst gebastelten Laternen.

Vom Schnitzen und Schnausen
Rückblick: Am selben Morgen drang fröhliches Stimmengewirr aus den Klassenzimmern und der Duft nach erdig-pikantem Rübenfleisch stieg einem in die Nase. Die 2. und 3. Klasse sass verteilt an grossen Tischen, vor ihnen Schnitzmesser, Kugelausstecher und Guetsliförmli ausgebreitet. Deckel abschneiden, verzieren, aushöhlen. Alles mit grosser Sorgfalt, aber perfekt muss es nicht sein. Kleine Missgeschicke gehören dazu. «Das sieht man im Dunkeln sowieso nicht», waren sich die Kinder einig. Verstohlen wanderten immer wieder kleine Stücke des weissen Fruchtfleischs in die lachenden Münder. Nur Flavia rümpfte die Nase: «Das schmeckt wie Radiesli. Und die mag ich überhaupt nicht.» Umso mehr mag sie das ganze Drumherum um den Anlass. Etwa das grosse Essensbüffet nach dem Umzug. «Mein Mami bringt einen Schoggikuchen», hielt sie vorfreudig fest. Während sich Anika und Anna vor allem auf das gemeinsame Singen freuen, zählt für Rebecca: «Heute dürfen wir länger aufbleiben!»

Von Kürbissen und kreativen Vätern
Genauso stimmungsvoll zu und her ging es ein Stockwerk tiefer bei den ältesten Primarschülerinnen und -schülern. Sie sassen gemütlich am Boden, hörten Musik und verwandelten anstelle von Räben Kürbisse in wahre Kunstwerke. Keine Spur von Erleichterung, dass diese Räbeliechtli-Ära mit dem Übertritt an die Oberstufe bald zu Ende geht. Im Gegenteil. Bei Lynn und Svea mischte gar ein bisschen Wehmut mit. «Ich finde es immer schön, den Anlass gemeinsam zu feiern», so Lynn. Und auch die Jungs fanden nach wie vor Gefallen am Schnitzen. Das sei viel spassiger als der normale Schulunterricht, waren sie sich einig.

Ebenfalls viel Spass hatten die Väter der Kindergartenkinder am Abend zuvor. «Das Schnitzen der Räben für die Kleinsten ist bei uns seit vielen Jahren Sache der Papis», erzählte Birgit Burkard, die zusammen mit Désirée Kläntschi für die Organisation des Anlasses zuständig ist. «Immer aufs Neue ein herrlicher Abend, die Atomsphäre locker und lustig.» Anerkennend fügte sie hinzu: «Und die verzierten Räben lassen sich definitiv sehen. Sie sind der ganze Stolz der Kinder.»

Abendlicher Umzug mit Konzert
Der Stolz war den Kleinsten während des Umzugs definitiv anzusehen. Dick eingepackt marschierten sie inmitten der ganzen Schülerschar durch die dunklen Quartierstrassen, vorbei an vielen Zuschauenden, die den Wegrand säumten. Zurück auf dem Pausenplatz folgte das von vielen ersehnte gemeinsame Singen auf der Schulhaustreppe. Die Kinder formierten sich in Windeseile zu einem Chor. Klassische Räbelichtli-Lieder gehörten genauso zum Repertoire wie «Chlini Händ» von Kunz oder «A whole new World» aus dem Film Aladdin. Für einen Gänsehautmoment sorgten die 5.- und 6.-Klässler. Unter der Leitung von Lehrerin Nadine Seiler präsentierten sie zum ersten Mal ihr selbst komponiertes Lied, den «Abtwil Song» und ernteten dafür grossen Applaus.

Süsser Ausklang
Ausklingen liessen die Abtwiler den Anlass traditionsgemäss beim gemütlichen Beisammensein. Für das leibliche Wohl sorgte ein riesiges Büffet. Der Frauenbund zauberte aus all den Köstlichkeiten, welche die Eltern im Vorfeld gebacken hatten, ein kunterbuntes Büffet und schenkte dazu Punsch aus. Alle durften zugreifen. Auch zwei- oder dreimal. Burkard betrachtete das muntere Treiben mit einem Lächeln. «In einem kleinen Dorf wie Abtwil werden solche Traditionen noch geschätzt. Es ist wie ein Dorftreff. Man geniesst die gemeinsame Zeit.»

Dann, ganz langsam, nahmen die Familien den Heimweg unter die Füsse. Dabei hört man nicht nur die Kinder summen: «Schritt für Schritt de Bärg doruf…» Das war wahrhaftig ein schöner Tag.

So schön können Dorftraditionen sein

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