Direkt hinter der Kirche stehen seit Kurzem drei kleine Holzhäuser auf Stelzen. Sie gehören Menschen, die dort auf knapp 50 Quadratmetern leben möchten. Wie kommt man auf die Idee, sich freiwillig so zu reduzieren?

ANNETTE KNÜSEL

Es ist ein Wintertag wie aus dem Bilderbuch: sonnig und kalt. Im Haus Schwanenstrasse 8 ist es sonnig und – wohlig warm. Direkt neben der Eingangstür bullert ein kleiner Ofen aus Gusseisen vor sich hin. Er heizt die gesamte Wohnfläche. Die Sonne strahlt durch die bodentiefen Fenster und setzt den kleinen Raum und seine geschmackvolle Einrichtung ins beste Licht. Rechter Hand ein grosser Holztisch, dahinter eine kleine Küchenzeile. Links ein offenes Wohnzimmer mit Sofa, Sessel, Beistelltisch und zwei Bildern an den Wänden. Geradeaus der Blick nach draussen, auf eine Freifläche für einen Garten sowie auf ein zweites Holzhaus auf Stelzen. Weiter gibt es ein Schlafzimmer, ein Reduit und ein kleines Duschbad. Insgesamt 46 Quadratmeter.

Pilotprojekt für die ganze Schweiz
Die drei «Ökominihäuser» in Merenschwand sind ein schweizweites Pilotprojekt für nachhaltiges Wohnen. Vor einigen Jahren hatte der damalige Gemeindeammann Hannes Küng einen Fernsehbericht über den Verein «Kleinwohnformen» gesehen. Gesucht wurden Gemeinden, die über Freiflächen in der Bauzone verfügen und diese zwischennutzen möchten. «Da wir die Voraussetzungen erfüllten, sind wir aktiv geworden», erinnert sich Küng. Ohne Hintergedanken wollte man einerseits zum Wohl der Gemeinde nachhaltig wirtschaften und andererseits auch neuen Wohnformen eine Möglichkeit bieten.

Die «Ökominihäuser» wurden von der Baubiologin Tanja Schindler aus Altdorf entwickelt. Sie möchte damit aufzeigen, dass man mit wenig Ressourcenverbrauch leben kann, ohne an Lebensqualität zu verlieren. Ihre Werkzeuge: sinnvolle Nutzung des Bodens, Energieeffizienz und die Verwendung ökologischer Baumaterialien. Dass der ökologische Aspekt im Vordergrund steht, unterscheidet die drei Holzhäuser in Merenschwand von den klassischen, besser bekannten «Aussteiger-Wohnformen» wie Bauwagen oder Tiny House.

Nicht aus-, sondern einsteigen
Doch wer sind also die neuen Bewohner in der Schwanenstrasse? Sie haben über den Verein «Kleinwohnformen» vom Projekt erfahren und sich mit dem Kauf ihres Hauses einen Traum erfüllt. Verena Mumford, Innenarchitektin und Inhaberin der Firma «MW Home Staging» mit Sitz im benachbarten Obfelden, fragte sich schon länger: «Warum habe ich eigentlich so viele Sachen? Geht es nicht mit weniger?» Jedes Ding, das sie besitzt, braucht Pflege und Aufmerksamkeit, es nimmt Raum ein und bindet Energien, die sie gerne für anderes verwenden würde. So reifte der Entschluss, ein «Minimalist» zu werden. «So weit bin ich noch lange nicht», lacht die Mutter von drei erwachsenen Kindern, «aber ich arbeite daran. Ich möchte frei werden von den vielen Dingen.»

Ein klassisches Tiny House wäre ihr zu klein. Auch fehlt ihr bei dieser Wohnform der ökologische Aspekt. Ihr Ökominihaus dagegen ist eine ökologischen Wohlfühloase. Stolz zeigt Mumford auf die beiden Fugen an der Küchenarbeitsplatte und an der Glastür zur Dusche: «Das hier ist Silikon – alles andere ist aus natürlichen Baustoffen.» Wände, Dach und Boden bestehen aus einer Holzständerkonstruktion. Sie ist verkleidet mit einer Schicht aus Lehm. So entsteht ein sehr angenehmes Raumklima. Auch die Gemeinde profitiert
Das Haus konnte Mumford kaufen. Für den Boden, auf dem es steht, zahlt sie Miete. Er steht im Besitz der Einwohnergemeinde Merenschwand. Durch den Mietvertrag mit den Ökominihaus-Besitzern erhält die Gemeinde nun zehn Jahre lang Miete dafür. Anschliessend kann der Mietvertrag verlängert werden – oder die Ökominihäuser müssen auf Tieflader geladen und an einen neuen Standort transportiert werden.

«Die Hauskäufer nehmen erhebliche Anstrengungen auf sich», sagt Tanja Schindler. Für ein Haus ohne Boden gibt keine Bank Kredit. Es muss also komplett aus eigener Kraft finanziert werden. Wenn in zehn Jahren der Mietvertrag nicht verlängert wird, müssen sie einen neuen Stellplatz für das Haus finden. Und das reduzierte Wohnen an sich ist erstmal auch eine Herausforderung. «Man wächst da so langsam hinein», sagt sie aus Erfahrung.

Tag der offenen Tür im Mai geplant
Viele Passanten bestaunen die drei Holzhäuser im Herzen von Merenschwand. Wenn jemand wirklich interessiert ist, lädt Mumford zu einer Kurz-Besichtigung ein. «Eigentlich jeder findet es lustig», sagt sie schmunzelnd. Aber die meisten sagen ihr, dass sie sich nicht vorstellen können, so zu leben. Tanja Schindler findet es wichtig, dass viele Leute von dieser neuen Wohnform erfahren. «Es ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, aber es braucht auch Unterstützung von Politik und Behörden und eine Offenheit der Bevölkerung für neue Ideen.»

Deshalb wird es am 7. Mai einen offiziellen Tag der offenen Tür geben. Und wer bis dahin nicht warten möchte, bekommt vielleicht schon vorher eine Privatführung durch Haus Nummer 8.

Kleines Haus, grosse Freiheit und ökologisch

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